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Schaufeltrage oder Spineboard
Erstellt von Helga Scheer am 06.03.2020
Schaufeltrage oder Spineboard
Liebe Kameradinnen und Kameraden!
Der Feuerwehrmedizinische Dienst des LFV Steiermark hat sich als Standardrettungsmittel für die Schaufeltrage und gegen das Spineboard entschieden.
Nachdem dieses Thema seit Jahren heiß diskutiert wird und die Entscheidung des Feuerwehrmedizinischen Dienstes von einigen Mitgliedern nur schwer zur Kenntnis genommen werden kann, möchte ich mich im Folgenden ausführlich mit der Thematik beschäftigen:
Der FMD ist Berater des Landesfeuerwehrverbandes Steiermark in allen Fragen, die die Medizin und die Erste Hilfe betreffen. Alle Entscheidungen müssen daher so gestaltet werden, dass sich die Verantwortlichen auf jeder Ebene darauf verlassen können, dass verwendete Rettungsmittel möglichst sicher sind. Würde der Landesfeuerwehrverband ein Rettungsmittel (Produkt) einführen, ohne die Voraussetzungen dafür genau zu prüfen, könnte sogar ein Organisationsverschulden vorliegen.
Bei der Einführung eines Rettungsmittels müssen folgende Voraussetzungen erfüllt werden:
- Es wird von etwa 38.000 (aktiven) Feuerwehrmännern und -frauen mit unterschiedlicher Ausbildung benutzt.
- Es muss leicht und sicher handhabbar sein, von ständiger Schulung ist nicht immer auszugehen.
- Es muss sicher und schonend für den Verletzten sein, finanziell leistbar und gut wartbar.
- Sinnhaftigkeit und Zweckmäßigkeit müssen den Anforderungen angepasst sein.
- Lange Lebensdauer auch bei seltener Verwendung
- Neueinführungen müssen einen deutlichen Vorteil gegenüber bekannten Methoden bringen, die Umwälzung (Ausbildung und Fortbildung) auf 38.000 Mitglieder muss eine echte Notwendigkeit zeigen.
- Die Zusammenarbeit mit anderen Organisationen (Rettungsdienste, Notarztwagen, Rettungshubschrauber) muss gewährleistet sein, die verwendeten Geräte der Organisationen sollen sich sinnhaft ergänzen.
Gerade in Zeiten, in denen oft wegen Kleinigkeiten geklagt wird, brauchen Entscheidungen Rechtssicherheit. Als Landesfeuerwehrarzt bin ich allerdings für diese Entscheidungen nicht alleine verantwortlich, sondern ich bin Sprecher des Gremiums der Bereichsfeuerwehrärztinnen und -ärzte, die ihre Aufgaben sehr ernst nehmen.
Folgende Informationsquellen haben wir bei der Entscheidung „Schaufeltrage gegen Spineboard“ beigezogen:
- Gremium der Bereichsfeuerwehrärzte – ausgebildete Allgemeinmediziner oder Fachärzte mit langjähriger Berufs- und Notarzterfahrung
- Medizinische Literatur verschiedenster Fächer, wissenschaftliche Recherchen
- Prof. Dr. Gerhard Prause, orstand der Arbeitsgemeinschaft für Notfallmedizin in der Steiermark seit 1988, Intensivmediziner, Notfallmediziner, Polytraumaversorgung
- Prim. Dr. Reinhard Doppler, Facharzt für Innere Medizin, Intensivmediziner, Stützpunktleitung C 14 + C 99
- Dr. Peter Hansak, Landesrettungskommandant.
- Dr. Klaus Legner, MSc, MSc, Leiter Flugmedizin des Österreichischen Bundesheeres, Search & Rescue Team des Bundesheeres (SAR), Feuerwehrarzt
- Dr. Martin Hasibeter, langjähriger Landesbergrettungsarzt, BRD Stmk
- Dr. Godo Savinski, Leiter der Rettungsdienstschule der Feuerwehr Hamburg
- usw.
Das Spineboard kommt aus dem amerikanischen Raum, wo die Rettung von Verletzten wesentlich anders funktioniert als bei uns: Dort besteht das System „load & go“, das heißt der Verletzte wird auf der Unfallstelle auf das Spineboard geladen, fixiert und ohne weitere Behandlung ins Krankenhaus transportiert. Bei unserer wesentlich besseren Versorgung vor Ort („stay & play“) wird der Verletzte gerettet, vor Ort bestmöglich versorgt und dann ins Krankenhaus transportiert.
Der Nachteil des Spineboards:
- Das richtige Handling ist schwieriger als bei der Schaufeltrage.
- Ständiges Training (nicht einmal im Jahr, sondern regelmäßig) ist Voraussetzung für die korrekte Verwendung.
- Bei falscher Anwendung kann der Patient auch geschädigt werden
- Manche Verletzungen sollten mit dem Spineboard überhaupt nicht transportiert werden.
- Es besteht die Gefahr von Druckstellen der Haut und des Gewebes sowie Nervenverletzungen (durch direkten Druck und einer verminderten Durchblutung der Auflagepunkte).
- Die Einschätzung des Verletzungsgrades ist aufgrund zusätzlich diffus verteilter Schmerzen an den Auflagestellen erschwert.
- Die Kombination von Halswirbelstütze und dem Spineboard kann Nachteile für den Patienten bringen, insbesondere bei Schädel-Hirn-Verletzungen.
- Ein Patient, der auf dem Spineboard liegt, muss noch einmal komplett umgelagert werden um ihn auf die Vakuummatratze zu lagern - ein sehr großer Nachteil.
Bei der Schaufeltrage genügt das Öffnen der Trage und der Patient liegt in der Vakuummatratze. Natürlich kenne ich die Argumente, dass das Retten von Patienten durch den Kofferraum mit der Schaufeltrage schwerer durchzuführen ist, ich fahre selbst regelmäßig zu Verkehrsunfällen aus.
Üblicherweise stehen bei Verkehrsunfällen meist eine Reihe von Feuerwehrmännern im Einsatz, die durch gemeinsame Hebetätigkeit dieses Problem überwinden können. Das Ziehen des Verletzten nach hinten auf ein Spineboard ist auch nicht nur schonend, es müssen ebenso Gewichts- und Reibungskräfte überwunden und Kräfte am Verletzten angewandt werden, auch hier braucht es idealerweise mehrere Helfer.
Nicht zu unterschätzen ist der Einfluss der Wirtschaft und der Werbung für das Spineboard; die Schaufeltrage, die in allen Feuerwehren verankert ist, hat in dieser Richtung keine Lobby mehr.
Wenn man Übungen und Einsätze beobachtet, sieht man auch, dass das Spineboard häufig ohne echte Notwendigkeit eingesetzt wird: Patienten, die bei offener Autotür mit dem Rautekgriff eigentlich schonend geborgen werden können, wird mit Anstrengung ein Spineboard unter den Hintern geschoben. Dadurch wird der Patient mit unnötigem Kraftaufwand auf das Spineboard gezogen, um kurz darauf wieder angehoben und umgelagert zu werden. Besonders schön war das bei der Fernsehsendung „Feuer & Flamme“ zu sehen. Für Feuerwehren, die wirklich regelmäßig, mehrmals im Jahr, das Spineboard beüben und immer wieder zu Unfällen fahren, mag durch diese Fachkenntnis das Spineboard neben der Schaufeltrage eine wertvolle Ergänzung sein. Für den Großteil der Feuerwehren und für die Standardsituationen, die einen Großteil der Einsätze ausmachen, ist die leichter bedienbare Schaufeltrage jedenfalls das zu empfehlende Rettungsgerät. Ich hoffe, mit dieser ausführlichen Stellungnahme des FMD Steiermark zum besseren Verständnis beizutragen. Von Seiten des LFV ist wesentlich, darauf zu drängen, dass die Feuerwehrausstatter standardmäßig die Schaufeltrage und nicht das Spineboard ausliefern - weil es eben sicherer ist: für die Patienten und für unsere Mitglieder.
MR Dr. Josef Rampler, MSc
Landesfeuerwehrarzt